Hutba: Allah verabscheut die Unterdrücker

FREITAGSPREDIGT

Verehrte Muslime!

Das Wort „Zulm“ hat viele Bedeutungen. Es bezeichnet z. B. das Überschreiten von Grenzen, den Abfall von der Wahrheit, das Unrecht gegenüber Anderen und die Verwendung des Eigentums einer Person ohne seine Zustimmung. Vor allem aber ist Zulm die Ungerechtigkeit von Machthabern und Autoritäten. Im Koran kommt Zulm an über 200 Stellen vor und steht für Kufr, Schirk, Sünde und Unrecht zwischen Menschen sowie die Missachtung der Gebote Allahs.[1]

In der Menschheitsgeschichte hat es immer Unterdrücker und Unterdrückte gegeben. Die Gewalt und Grausamkeit, die in den Geschichtsbüchern genannt werden, machen uns fassungslos. Sie sind ein warnender Beweis dafür, wie zerstörerisch Menschen sein können, wenn sie gewissenlos handeln und nicht mehr wissen, was Gerechtigkeit, Recht und Ordnung, Menschenrechte und Menschlichkeit bedeuten.

Doch leider haben diese Gräueltaten nicht nur in der fernen Vergangenheit stattgefunden. Es ist noch kein Jahrhundert her, dass in den 1940er Jahren ein brutaler Massenmord an unschuldige Menschen verübt wurde. Auch der Mord und die Unterdrückung in Ostturkestan oder in Myanmar sind uns bekannt – genauso die durch Kolonialstaaten in Afrika und auf dem indischen Kontinent begangen Verbrechen.

Liebe Geschwister!

Wir alle erinnern uns an das Massaker von Srebrenica, oder besser gesagt; den brutalen Völkermord. Anlässlich des 24. Jahrestages werden wir am kommenden Donnerstag in tiefer Trauer erneut dieses schwarzen Tages der Menschheitsgeschichte gedenken. Erneut werden Frauen und Mütter an den Gräbern ihrer ermordeten Männer, Kinder und Verwandten Tränen vergießen.

Wir erinnern uns: Zwischen dem 11. und 17. Juli 1995 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Srebrenica zur sicheren Zone erklärt.
Kurz danach wurde im Lager Potocari, das von UN-Blauhelm-Soldaten bewacht wurde, das größte Massaker nach dem Zweiten Weltkrieg begangen. Schätzungsweise 8.325 muslimische Bosniaken wurden innerhalb von 3 Tagen ermordet. Die Weltöffentlichkeit hat geschwiegen. Die Vereinten Nationen haben ihre Glaubwürdigkeit verloren. Und erneut zeigte sich, dass universelle Abkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte tatsächlich nur auf dem Papier gültig waren.

Unschuldige Kinder, alte Menschen und schutzlose Frauen sind an jenem Tag zur Zielscheibe bestialischer Mörder geworden. Manche wurden lebendig in Massengräbern begraben. Anstatt den Schrei dieser unterdrückten Menschen zu hören und ihnen zu Hilfe zu eilen, hat die Welt nichts weiter unternommen, als endlose Versammlungen abzuhalten und wirkungslose Kritik zu äußern.

Um zu verhindern, dass derartig schreckliche Schandtaten nicht wiederholt werden, sind wir alle, als gewissenvolle, gerechte und barmherzige Menschen aufgefordert, wachsam zu sein.

Verehrte Muslime!

Wir verurteilen derartige Verbrechen und sind zutiefst bestürzt über die großen Verluste. Niemals dürfen wir vergessen, dass am Jüngsten Tag für all diese Taten Rechenschaft abgelegt wird. Denn im Koran heißt es: „Meine bloß nicht, dass Allah das Verhalten der Ungerechten unbeachtet lässt. Siehe, er säumt mit ihnen nur bis zum Tage, an dem die Blicke starr werden.“[2]

All das heißt natürlich auch, dass gerade Muslime Unterdrückung nicht mit Unterdrückung beantworten dürfen. Unser Prophet ﷺ sagte diesbezüglich: „Seid nicht ungerecht! Sonst wird Allah, wenn ihr ihn bittet, eure Bittgebete nicht annehmen, wenn ihr um Regen bittet, wird er euch nicht mit Regen versorgen und wenn ihr ihn um Hilfe bittet, wird er euch seine Hilfe verwehren.“[3]Möge Allah uns zu jenen Menschen zählen, die den Unterdrückten stets zur Seite stehen und für Gerechtigkeit einstehen.

Anmerkung: Vor 10 Jahren wurde im Dresdener Landgericht unsere Schwester Marwa El-Sherbini von einem antimuslimischen Rassisten vor den Augen ihres Kindes ermordet. Zuvor wurde sie mit ihrem Kind von dem Mörder auf einem Spielplatz beleidigt. Dass Marwa im dritten Monat schwanger war und ihr Ehemann, als dieser seine Frau zu beschützen versuchte, vom Mörder schwer verletzt und durch einen Polizeibeamten versehentlich angeschossen wurde, zeigen die Schwere dieses Vorfalls.

Wir gedenken unserer Schwester Marwa und möchten an dieser Stelle besonders betonen, dass dieses Verbrechen nicht vergessen werden darf. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es nicht in Vergessenheit gerät. Allah möge den Seelen unserer Verstorbenen gnädig sein.

[1] Mustafa Çağrıcı, DIA, Bd. 44, S. 510
[2] Sure Ibrâhîm, 14:42
[3] Tabarânî, Al-Mudscham al-Awsat (Vgl. Al-Haysamî, Madschma’u z-Zawâid, 5/235

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